Entwurf, Planung und Bauleitung, 2024

Umbau MFH, Herzogenbuchsee

Gebäude im Inventar der Denkmalpflege

Das ansprechend wirkende spätklassizistische Haus ist ein wichtiger Bestandteil eines stilistisch homogenen Ensembles im Lorraine Quartier. Es wurde um 1880 erbaut und diente als früher Sitz einer Schuhfabrik, wodurch es für die Gemeinde auch von wirtschaftsgeschichtlicher Bedeutung ist. Der traufständige Riegbau hat durch Ecklisenen und fein profilierte Geschossgesimse eine klare Gliederung, die Fassaden sind mit kleinen Holzschindeln verkleidet. Zur schönen Detailgestaltung gehören eine spätklassizistische Holztüre mit hübschem Blechdach oder dekorativ geformte Pfettenkonsolen. Die ehemalige rückseitige Laubenfront wurde um 1925 unter Quergiebel in Massivbauweise vergrössert. Das Schutzobjekt ist im Inventar der Denkmalpflege als erhaltenswert eingestuft.

Die Grundsubstanz war mehrheitlich in einem guten Zustand, der allgemeine Unterhalt wurde in den letzten Jahren aber trotz einiger Sanierungsarbeiten deutlich vernachlässigt. Eine umfassende Sanierung sollte den Anforderungen und  Bedürfnissen der neuen Eigentümer gerecht werden. Aus den über die Jahre entstandenen drei Wohnungen, wurde ein Mehrgenerationenhaus mit zwei Wohneinheiten geplant. Im Erdgeschoss befindet sich neu eine 3-Zimmer-Wohnung mit Schaltzimmer, während sich eine grosszügige 6.5-Zimmer-Wohnung über die beiden oberen Geschosse verteilt.

In einem ersten Schritt wurde das Gebäude von Altlasten und soweit möglich nicht originalen Bauteilen befreit, ebenso wurde der rückseitige Anbau abgebrochen. Anstelle des Anbaus wurde unter dem ursprünglichen Satteldach eine neue, in Anlehnung an das Original wieder offene Laube erstellt. Diese interpretiert das ursprüngliche Volumen mit einer modernen und zeitgemässen Holzkonstruktion. Die Laube bietet beiden Wohnungen einen grosszügigen gedeckten Aussenraum mit direktem Zugang zum Garten.

Im Innern kamen originale Riemenböden, Wandverkleidungen sowie Decken mit Balkenlage und Schiebböden zum Vorschein. Die wieder entdeckte Bausubstanz wurde weitgehend belassen und nur wo nötig mit handwerklichem Geschick ergänzt oder teilweise erneuert. Die Spuren der Zeit wurden bewusst belassen und sollen die Geschichte des Hauses erlebbar machen. Fehlende Wände wurden mit Dreischichtplatten ersetzt, die Böden mit Zementfliesen ergänzt oder mit Naturöl veredelt. Das dezente Farbkonzept schafft eine angenehme Atmosphäre und harmoniert optimal mit den verschiedenen Holzoberflächen. Generell hatte der Einsatz von nachhaltigen und ökologisch unbedenklichen Materialien wie Wärmedämmung aus Schafwolle oder Lehmputz einen hohen Stellenwert.

Bei der Gebäudehülle wurden die Fenster ersetzt, die Aussenwände und das Dach energetisch saniert. Ebenso wurden praktisch die gesamten Haustechnikanlagen erneuert. Die Wärmeerzeugung erfolgt neu mittels einer Wärmepumpe, Regenwasser wird gesammelt und beispielsweise für das Wäschewaschen oder die Toilettenspülung genutzt. Die auf dem Dach installierte PV-Anlage leistet einen durchschnittlichen Jahresenergieertrag von rund 10’000 kWh.

Die Planung und Realisierung erfolgten mehrheitlich als rollende Prozessplanung, die anstehenden Arbeitsschritte wurden stets hand-in-hand mit der Bauherrschaft und den Unternehmern besprochen und Lösungen gemeinsam gesucht. Als oberstes Gebot wurde dabei stets nach dem Design-to-Cost-Prinzip gehandelt. Die Bauherrschaft begab sich auf eine spannende Reise mit einem Ziel vor Augen, ohne jedoch vorab den genauen Weg zu kennen. Dieses eher untypische Vorgehen bedingt eine aktive Beteiligung der Bauherrschaft, ein bedingungsloses gegenseitiges Vertrauen, sowie die Bereitschaft zu Kompromissen. Das stimmige Endresultat bestätigt die gewählte Vorgehensweise sowohl für die Bauherrschaft wie auch den Architekten.